DIE SCHLUMMERNDE VENUS

oder

Die Harmonie zwischen Mensch und Natur

Die schlummernde Venus

Nach der Vertreibung aus dem Paradies, so steht es aufgeschrieben:

„ ... SIE ERKANNTEN, DASS SIE NACKT WAREN ...“

Die Verhüllung des nackten Körpers ist das erste äußerliche Kennzeichen des gefallenen Menschen, daher gilt:

DER VERHÜLLTE MENSCHLICHE LEIB IST EIN WAHRZEICHEN DER ERBSÜNDE.

Der nicht erbsündlich gekennzeichnete, gesunde, schöne Körper stellt den PARADIESISCHEN MENSCHEN dar.

Im harmonischen Äußeren überträgt ein Mensch mehr an echter Ebenbildlichkeit, als die ZER- SPALTENHEIT DER INNEWOHNENDEN SEELE. Sehnsucht nach dem Bild schöner Nacktheit, wie uns Kunst es zeigt, ist

SEHNSUCHT NACH DEM PARADIESISCHEN LEBEN.

Am Ende des 15. Jahrhunderts verkörperte Italien nur eine kulturelle, nicht aber eine politische Einheit. Diese Situation stützte sich auf den Gedanken des Gleichgewichtes zwischen den großen Staaten, dem Herzogtum Mailand, den Republiken Venedig und Florenz, dem Königreich Neapel und dem Kirchenstaat. Da keiner dieser Staaten die notwendige Stärke besaß, waren KOALITIONEN unausbleiblich, sobald einer der Staaten nach der VORHERRSCHAFT strebte.

Das Mißtrauen, das so unter den Großen entstand, ermöglichte die Existenz zahlreicher Kleinstaaten, Grafschaften und städtische Machtzentren

Der KIRCHENSTAAT entwickelte in der Renaissance immer mehr die Struktur einer WELTLICHEN MACHT der Nepotismus der Päpste war im Grunde nicht anders als DYNASTISCHE FÜRSTENPOLITIK. Die Situation wurde gefährlich, das Glaubensleben verflachte und die Kraft der Theologie konnte neuen PAN-THEISTISCHEN IDEEN keine überzeugenden Argumente entgegensetzen.

Da der HUMANISMUS die Grundlagen der SCHOLASTIK zutiefst erschüttert hatte, setzte im 15. Jahrhundert ein NEUES PHILOSOPHIEREN ein, eine WIEDERBELEBUNG DER WISSEN- SCHAFTEN DER RELIGION.

Der mittelalterlich, theologisch- politische Universalismus konnte nur durch GEISTES- ERNEUERUNG geschehen, indem die LEIDENSTHEOLOGIE die PREDIGERMYSTIK ablöste. Konkrete Gestalt nahm diese Idee durch das Auftreten des FRANZ von ASSISI an die Besinnung und Hinwendung auf das NEUE TESTAMENT, sollte das mit dem römischen Reich verwobene Kirchenrecht überwunden werden.

Das ist der Punkt wo eine mystische Idee die Kirchengeschichte beeinflußte. Diese univer- salistischen Gedanken zur RETTUNG VON EUROPA wurden jedoch behindert durch Übergriffe des, EINEN EIGENEN STAAT BEANSPRUCHENDEN PAPSTTUMS.

Eine neue Idee setzte sich durch im Denken der Kirche. DER MENSCHLICHE WILLE IST FREI, wieviel mehr muß es der GÖTTLICHE sein.

Auf dieser FREIHEIT GOTTES beruht es, daß ER die Kausalitätskette durch Wunder und Vorsehung im einzelnen zu durchbrechen vermag. Damit wurde der Schwerpunkt vom ERKENNEN ins WOLLEN verlegt. So entstand der VOLUNTARISMUS, Der Wille ist die Grund- funktion im seelischen Leben.

Das übernatürliche - asketische Lebensgefühl, die IDEE DER NATION, ZERSTÖRTEN DIE EINHEIT DES ABENDLANDES, das mit dem Ende des lebendigen christlichen Universalismus IN EINZELSTAATEN ZERSPLITTERT, die sich gegenseitig bekämpften. Es gab keine Einheit der Wissenschaften, nur noch produktive Theologie – es trat an die Stelle der RATIO, nunmehr die MYSTIK.

Ende des Jahrhunderts ereignete sich ein GRAUENHAFTER ABSTURZ DER CHRIST- LICHEN GESETZGEBUNG.

PAPST INNOZENZ VIII. erließ eine Bulle, in der die HEXENPROZESSE als rechtens anerkannt wurden. Diese Bulle hatte nicht die Bedeutung einer bindenden Lehrentscheidung, sondern sie entstand unter dem Einfluß spätrömischer Gesetzgebung in Gewohnheitsrecht über- gegangenen BRAUCH VON WAHN UND FREVEL. Diese Blindheit war ein SCHLAG GEGEN DAS HERZ DES CHRISTENTUMS.

Der FÜRST DER FINSTERNIS wurde Teil der kirchlichen Rechtsverwaltung.

Der Papst gab 1486 2 Dominikanermönchen seine „HÖCHSTE“ Autorität, den MALLUS MALEFICARUM, als sog. HEXENHAMMER bezeichnet, zu schreiben. Dieses Buch brachte über Europa MEHR ELEND UND TOD als jede andere Schrift.

Die Theologen dieser Zeit hatten nicht das Herz, sie fühlten nicht, daß selbst in der LEIDENSGESCHICHTE CHRISTI gepeinigt wurde.

So wurde die kirchliche Gnadenverwaltung für viele fragwürdig, wenn durch unmittelbar eingreifende Phänomene in den Bereich des Wunderbaren, die durch Gnade nicht eingeordnet werden konnten, die INQUISITION eingriff.

Die bezogenen Positionen erstarrten zusehends; der GEIST DER UNVERSÖHNLICHKEIT feierte Triumphe.

Das Geschehen der 2. Hälfte des 15. Jhd. beherrschte die Gestalt der Signore von Florenz: LORENZO DER ERLAUCHTE, 1449-1492, war Zünglein der politischen Waage Italiens, somit Hüter des Gleichgewichtes der fünf italienischen Großstaaten

Beim Attentat der Familie PAZZI 1478 wurde GIULIANO, Bruder Lorenzos, ermordet, Lorenzo blieb unverletzt. An der Verschwörung nahmen auch der Nepote von Papst Sixtus IV. GIROLAMO RIARIO und der Erzbischof von Pisa, KARDINAL SALVIATI teil.

Madonna von Castelfranco

Giuliano de´Medici,
von Sandro Botticelli

PAPST SIXTUS IV. hatte die Absicht in der schönen, reichen Romagne für den Neffen Girolamo Riario ein Fürstentum zu gründen. Ohne jede Bedenken, seine geistliche Macht, erhaben über alles Irdische, seinen weltlichen Absichten dienstbar zu machen.

Die Medici waren ihm dabei so im Wege, daß er den Verdacht auf sich nahm, von dem MORDANSCHLAG im Dom zu Florenz gewußt zu haben.

Seine Gewaltpolitik wurde bald übertroffen durch die Wahl RODRIGO BORGIAS zum PAPST ALEXANDER VI. im Jahre 1492. Zu dieser Wahl sagte KARDINAL GIOVANNI DE´ MEDICI zu einem anderen: „entweder wir fliehen, oder er wird uns ohne Zweifel verschlingen“, KARDINAL DELLA ROVERE floh nach Frankreich und Giovanni fand Asyl in Venedig.

Fast gleichzeitig starb in Florenz sein Vater LORENZO DE´MEDICI an den Folgen einer Vergiftung.

PAPST ALEXANDER VI. Plan war es die Macht seiner Kinder auf die Besitzungen der alten Dynastiegeschlechter zu erheben.

Er führte das so konsequent durch, daß der Erfolg nur eine Frage der Zeit war, so blieben in Italien weiterhin die Kriege erhalten.

Sie waren die bittere Frucht des von LUDWIG XI. mit den ANJOUS abgeschlossenen Erb- vertrages. Sein Sohn KARL VIII. brach 1494 nach Italien auf, um sein angebliches Recht geltend zu machen. GLEICHGEWICHT UND UNABGÄNGIGKEIT können leicht DURCH EINE AUSWÄRTIGE MACHT GESTÖRT werden, das bewiesen seine Expedition und die vorübergehende Eroberung NEAPELS.

Derselbe Vorgang wiederholte sich mit MAILANDS Besetzung durch LUDWIG XII. im Jahre 1499.

Das wunderbare Geschick war es, daß – als der RELIGIÖSE MISSBRAUCH am ärgsten um sich griff – auch die REINE IDEE DES CHRISTEN- TUMS aus einer langen Verdunkelung wieder hell hervorleuchtete.

Infolge des neuen Studiums der heiligen Bücher in ihrer Ursprache durch die Übersetzung LUTHERS eröffnete er der religiösen Idee eine neue Bahn und zugleich die Aussicht auf eine NATIONALE WIEDERGEBURT.

Die Übergriffe des machtvollen Papsttums konnten in der Renaissance nur bekämpft werden, indem man DEN GEISTIGEN GRUND IN FRAGE STELLTE, aus dem sie hervorgingen.

Um die Rechte des Reiches in Italien wieder herzustellen, den sie umfassenden Machtkreis zu durchbrechen, entstand der Versuch eine HUMANISTISCHE BILDUNG zu entwickeln

Der Sinn dieser humanistischen Bildung war es, die RELIGIÖSE ÜBERZEUGUNG aus den reinsten und ERSTEN QUELLEN zu schöpfen und das bürgerliche Leben vom ÜBERGRIFF EINENGENDER, EINE BEVORZUGTE FRÖMMIGKEIT VORGEBENDER GEIST- LICHER INSTITUTE zu befreien.

Lorenzo il Magnifico

Lorenzo il Magnifico mit den zu seiner Zeit berühmtesten
Künstlern von Florenz, von Ottavio Vannini

Links stehen die Architekten und Baumeister, gegenüber die Bildhauer.

Der Anlaß dieser Darstellung war: der junge MICHELANGELO übergibt seine erste eigenhändige Bildhauerarbeit seinem Gönner und Förderer Lorenzo de´Medici. Neben ihm mit rotem Barett und grünem Mantel Andrea di Cione, berühmter Bildhauer, genannt VERROCCHIO, größter Meister von Florenz, nach Ansicht seiner Mitmenschen, der Beste aller Zeiten. Er hält als Kleinplastik eine antike Venus in Händen. BERTOLDO DI GIOVANNI, dahinter, Leiter der Künstlerakademie in San Marco, ist der Meister bei dem Michelangelo als Schüler lernt.

Links vorne LUCCA FANCELLI, der Baumeister des Pittipalastes, er zeigt den aufgerollten Plan des Bauwerks. MICHELOZZO DI BARTOLOMEO, daneben im grünen Mantel, Architekt, Bildhauer, Erbauer des Palazzo Medici

Gleich hinter ihm ist der Universalkünstler LEON BATTISTA ALBERTI zu erkennen, er vollendete die Fassade der Kirche Santa Maria Novella. Als Modell steht diese vor ihm.

Für den Beschauer hat das Gemälde noch eine spezielle Bedeutung.

Seine erste Skulptur - die der junge Michelangelo der Öffentlichkeit zeigt - ist der KOPF DES RIESEN GOLIATH, eine Kopie des Verrocchio-Werkes, der die Davidstatue in Bronze ausgeführt hatte. Michelangelo gab seiner Kopfskulptur spitze Ohren (Eselsohren), damit jeder der es sehen kann, weiß was gemeint ist. Der dazugehörige DAVID, den jeder kennt, wurde zu seinem Lebenswerk für Florenz.

Die vollendete Figur symbolisiert den

IDEALEN MENSCHEN, denn NICHT DIE KÖRPERLICHE STÄRKE kennzeichnet den wahren Menschen, sondern SEINE INNERE GRÖSSE, SEIN MUT UND SELBST- BEWUSSTSEIN.

Die Stimmung in Florenz in den siebziger Jahren des 15. Jahrhunderts lei-tete eine Wende in der italienischen Kultur ein. Mit der Macht von Lorenzo de´Medici und dem Erfolg der Platonischen Akademie feiert man den Ruhm der Künstler und die Hoffnung auf ein neues goldenes Zeitalter. In ganz Italien entstanden Kunstwerke

IM KAMPF GEGEN DAS BÖSE:

DIE TATEN VON
JUDITH, SALOME UND DAVID.

Madonna von Castelfranco

Selbstbildnis von Giorgione als DAVID.

Der Kopf von GOLIATH trägt die Gesichtszüge von THOMAS DE TORQUEMADA, dem GROSSINQUISITOR, Prior des Dominikanerklosters in Avila. Seine Ernennung zum ersten Großinquisitor Spaniens im Jahre 1483 bezeichnete den
BEGINN EINER DER GRAUSAMSTEN EPOCHE IN DER GESCHICHTE EUROPAS
.

Madonna von Castelfranco

Giorgione, Bildnis einer jungen Frau mit Brautschleier,
bekannt als „LAURA“.

 

Das Bild zeigt die sechzehnjährige VITTORIA COLONNA, die Braut von
FERRANTE D´AVALOS MARCHESE VON PESCARA – die Perle Italiens.


Sie war eine der berühmtesten Frauen der Renaissance in Europa,
Dichterin und Geistesfreundin von Michelangelo.
Ein Meisteraspekt der Meisterin NADA.

Madonna von Castelfranco

Im September 1510 wurde in VENEDIG die Nachricht verbreitet,
GIORGIONE SEI AN DER KRANKHEIT DER PEST VERSTORBEN
.

 

Die Ursache seines plötzlichen und geheim- nisvollen Todes wußten nur einige seiner engsten Freunde. Vor allem sein junger Freund TIZIAN wußte über das Ereignis genau Bescheid, er verstand die geheimnisvolle erzählende Art in den Bildern Giorgiones. Zur Mahnung und zum Andenken an seinen Freund schuf Tizian das Bild

„DER BRAVO“
DER MEUCHELMÖRDER

Es zeigt Giorgione, sein Haupt umkränzt mit Weinlaub, als Zeichen seines hohen Geistes, in dem Augenblick, da er seinem Mörder in die Augen sah, der den Dolch verborgen hinter hinter seinem Rücken hielt.

Der Kirche galt zu Beginn des neuen Jahrhunderts Venedig nicht mehr als ein Hort der Rechtgläubigkeit. Zu mächtig war VENEDIGS STAATSGEWALT die alle Sentenzen KIRCHLICHER INQUISITION zu behindern wußte, denn die Republik hielt an der Suprematie des Staates über die Kirche fest. Spanische Beobachter seitens der Kirche kritisierten diesen Zustand, indem sie feststellten:

DIE VENEZIANER HÄTTEN KEINEN ANDEREN GOTT ALS IHR INTERESSE UND IHRE FREIHEIT.