DIE DREI PHILOSOPHEN

Dieses farbenprächtige Bild ist das bedeutendste Werk venezianischer Malerei. In den drei dargestellten Philosophen manifestiert sich der Zeitgeist, der durch die Kunst von Italien zum Ausdruck gebracht werden soll.

In drei Stufen vollzog sich die geistige Aufklärung in Europa. PYTHAGORAS (500 v. Chr.) erkannte das Geheimnis der Welt nicht in einem Urstoff, sondern in einem Urgesetz, in den unveränderlichen zahlenmäßigen Beziehungen unter den Bestandteilen unserer Welt. Durch die Kenntnis dieser Weltgesetze wurden seine Lehren und die griechische Wissenschaft zeitlos.

Majestätisch, umhüllt vom schweren weiten Mantel im warmen Goldton, zeigt er die Lebensgesetze auf Pergament dem Menschen. MOND und SONNE sind abgebildet, beide Planeten lenken die menschliche Evolution.

Daneben AVERROES, 1126-1198, islamisch- spanischer Philosoph von Cordoba, eine Stufe höher. Die Werke Aristoteles analysieren und kommentieren, war sein Lebenswerk. Er wirkte auf die europäische Philosophie des Mittelalters nachhaltig ein, regte CHRISTLICHE THEOLOGEN erstmals zur Auseinandersetzung mit GRIECHISCHER PHILOSOPHIE an.

Madonna von Castelfranco

Giorgione DIE DREI PHILOSOPHEN

Das 13. Jahrhundert entschied die Frage: Vereinbarkeit von GLAUBEN und WISSENEVANGELIUM und ARISTOTELES. Die philo- sophische Frage kam aus dem Wunsch, die religiöse Dogmatik von Christen und Juden mit klassischer griechischer Philosophie in Gleichklang zu bringen.

Wer nicht die Übereinstimmung von Theologie und Philosophie einfordert, ist weder Christ noch Philosoph. GOTT IST ERSTE QUELLE, für VERNUNFT- und GLAUBENS– Wahrheiten.

PHILOSOPHIE IST DAS
FUNDAMENT DER THEOLOGIE

Unmittelbar dahinter, auf der dritten Stufe sitzt ein junger Mann, mit Winkelmaß und Zirkel in Händen. Symbolisch für LEONARDO DA VINCI, das Universalgenie, 1453-1519. Er wandte sich den schwierigsten Aufgaben und den allerletzten Grundlagen des menschlichen Seins zu. Er schaut hoch konzentriert in die vor ihm liegende DUNKLE HÖHLE. Links ist Dunkelheit, Fels, Gestein, NUR EIN KLEINES LICHT leuchtet darüber

GEHEIMNISVOLLES DUNKEL
steht in enger Beziehung zur
SYMBOLIK DES HERZENS.

Wer sich mit Leonardos Arbeiten beschäftigt, steht mit ganz besonderem Gefühl vor dem Bild DAS LETZTE ABENDMAHL im Dominikaner- kloster in Mailand. Diese Zauberschöpfung ist als Fresko an die Wand gemalt, bleibt dem Bewußtsein für immer erhalten.

Wer mit den Augen des Geistes dieses Bild betrachtet, bekommt eine Ahnung von der wahren Größe dieses Meisters, der alle Regungen der menschlichen Seele kennt und diese im Bild zum Ausdruck brachte.

Die bildliche Veränderung die sich unter dem Einfluß Leonardo da Vincis ereignete, geschah in dem Sinne, daß DAS LEBEN VOM INNENRAUM IN DIE FREIE NATUR verlegt wurde, um dem menschlichen Auge Schönheit und Wohlgefallen zu vermitteln.

Nach Meinung Leonardos kann der Künstler alles was der Mensch denkt und fühlt, was in der Welt der Erscheinungen und seiner Vorstellung existiert, ausschließlich wiedergeben.

DER MALER MUSS NICHT NUR DIE AUGEN, AUCH DAS GEMÜT DES BETRACHTERS ERGREIFEN

Es ist von lebenswichtiger Bedeutung nach welcher Richtung sich das Gefühlsleben entwickelt. Ein JEDES KUNSTWERK IST ETWAS LEBENDIGES, es unterstützt den Austausch und die Ansammlung von Energie.

Neben der Anhebung des ästhetischen Urteilsvermögens dient die Kunst auch der Erkenntnis der Gedankenbildung. Wer den metaphysischen Nominalismus erfaßt hat, braucht nicht mehr lange nach Aufgabe und Sinn des Lebens zu fragen, er muß nur über sich hinaus denken.

DIE OFFENBARUNG WIRD
IN DER NATURWISSENSCHAFT DURCH
ERFAHRUNG ERSETZT.

Mit der ANTIKE setzte sich die Philosophie seit jeher auseinander, im 14. Jahrhundert entstand eine philosophische Bewegung, der HUMANISMUS. Das Ideal einer an der Antike orientierten, rein menschlichen, und nicht theologischen geprägten Bildung.

Persönlichkeiten wie PETRARCA, der „VATER DES HUMANISMUS“, auch BOCCACCIO und andere begannen die verborgene klassische Literatur wieder zu sammeln. Nicht nur die Literatur, sondern sie erforschten alle Gebiete des spirituellen Lebens, in Italien und in allen anderen Ländern.

Das KONZIL ZU FLORENZ im Jahre 1439 war eine der bedeutsamsten Versammlungen des christlichen Glaubens. Das Zusammentreffen des Kaisers von Byzanz, des Patriarchen von Konstantinopel, höchster Geistlicher der griechischen Kirche mit dem Papst von Rom und den hervorragendsten Gelehrten in Ost und West, ein wahrhaft besonderes Ereignis.

Diese erlauchte Gesellschaft verhalf dem Humanismus, eben im Werden begriffen, zu raschem Aufschwung. Es kamen die weisesten Kirchenväter der östlichen Christenheit, viele Gelehrte wie der berühmte GEMISTOS PLETHON nach Florenz. Cosimo de Medici der Alte, konnte ihn dazu bewegen, dauernd in Italien zu bleiben.

Was die Gelehrten dieser Generation erlernten, wurde durch sie in der Folgezeit allen Humanisten von Nutzen.

Papst Eugen IV. hatte mit diesem Konzil der Sache des Papsttums einen schweren Schlag versetzt, als er die 23 Erzbischöfe der wichtigsten Provinzen, die Theologen mit den vielen Gelehrten in einen Dialog brachte.

Dabei kam eine wesentliche Erkenntnis zur Sprache. Bibliotheksforschungen nach Urkunden des achten Jahrhunderts erbrachten eine sensationelle folgenreiche Entdeckung. Die sog. KONSTANTINISCHE SCHENKUNG und die Dekretalen, auf denen der Vorherrschaftsanspruch des römischen Bischofs bisher beruhte, waren nichts anderes als FÄLSCHUNGEN.

Der Humanismus hatte unweigerlich die REFORMATION zur allgemeinen Folge, bereits in der Phase des starken Beginns durch die Erfindung der Buchdruckerkunst unterstützt. Hand in Hand mit der Renaissance in Italien vollzog sich in der Periode eine Umwandlung auf theologischem Gebiete.

Wie in Italien auf Schriften des klassischen Altertums, bezog sich die Reformation auf biblische Urkunden, in Lehre und Leben auf reines Gotteswort, das man im ALTEN und NEUEN TESTAMENT zu besitzen glaubte, legte mittelalterliche Traditionen beiseite.

Als Folge des Glaubenskampfes wurden auch die Lehren von Aristoteles von LUTHER abgelehnt, die er als eine „gottlose Wehr der Papisten“ bezeichnete. Bis man später entdeckte, welchen Schatz von Weisheit man in den SCHRIFTEN DER ALTEN besaß.

Madonna von Castelfranco
Cosimo de´Medici, der Alte

Das Konzil von Florenz hatte wesentlichen Einfluß auf die Entwicklung des Humanismus und die Reformation.

COSIMO DE´MEDICI, der VATER DES VATERLANDES, 1389 - 1464, begeisterter Anhänger Platons gründete in Florenz die PLATONISCHE AKADEMIE. Diese Schule wurde zur Hochburg des Geisteslebens im 15. Jahrhundert, der berühmte Humanist MARSILIO FICINO, aus ihr hervorgegangen und ihr geistiges Haupt ge-worden. Er übersetzte alle Schriften Platons und des Neuplatonismus von Plotin ins Lateinische. Aristoteles bedurfte keiner Wiedererweckung, sein Werk blieb in der Scholastik lebendig.

Die Akademie übte später großen Ein-fluß auf das europäische Denken aus. Zur Zeit der deutschen Reformation, bei REUCHLIN und MELANCHTHON, befruchtete sie auch die Kunst, besonders Bilder von FRA ANGELICO, GOZZOLI und FABRIANO vor allem die venezianische Malerei um 1500.

MARSILIO FICINO
1433-1499

Madonna von Castelfranco
Bildnis des Marsilio Ficino,
von Leonardo da Vinci

Sohn von Cosimos Arzt, leitete die „Platonische Akademie“, 1477 beendete er die Übersetzungen von Platons Werken. Das Gesamtwerk lag 1491 gedruckt vor. Cosimo gründete 1444 die berühmte Medici-Bibliothek. Als erster öffentlicher Bücherei Europas war sie 30 Jahre später Vorbild und Muster für den Vatikan in Rom.

Die MEDICI - BIBLIOTHEK enthält tausende Handschriften griechischer, lateinischer Klassiker, viele sind unschätzbar wertvoll. Die Originalschrift der justinianischen Pandekten 533 n. Chr. (Gesetze) deren Auffindung im 12. Jahrhundert ein wesentlicher Beitrag für die Rechtswissenschaft Europas war, die KENNTNIS DES RÖMISCHEN RECHTS gründet auf ihnen.

Die MEDICI stellten außerordentliche Summen Geldes zur Förderung von Kunst und der Büchersammlung des Wissens bereit, diese Familien-Biblio-thek war Mutter aller großen Europas.

Ebenso hatte der Herzog von Urbino FEDERICO DA MONTEFELTRO, 1422 - 1482, eine Begeisterung für Bücher und Handschriften; galt es eine Seltenheit zu beschaffen, so scheute er keine Summe. Seine Kopisten saßen in Urbino, Florenz, Rom, usw., sie schrieben lateinische Dichter, Philosophen, .. ab, dann die griechischen, die geistlichen, die alten und zeitgenössische bis Bonaventura.

Der Ruf dieser, seiner Bibliothek hat sich bis heute erhalten, sie wurde der vatikanischen Sammlung einverleibt.

Madonna von Castelfranco

Meister GIOVANNI BELLINI, Gründer der venezianischen Quattrocentomalerei mit ihrer Schönheit und der leuchtenden Farbenpracht, überreichtdem zwölfjährigen TIZIAN sein Malerdekret. GIORGIONE erklärt dem jungen Freund, wie wichtig dieses Dokument für sein weiteres Leben sei.

Herzog Federico da Montefeltro
Herzog Federico da Montefeltro, Sohn
Guidobaldo, von Pedro Berruguete